Vergangenes

19
Mrz
2006

Besser?

Zu Hause gehts mir etwas besser. Aber auch nur zu Hause.
Sobald ich das Haus verlassen muss, gehts wieder los mit den "Zuständen".
Und ich muss das Haus verlassen, jeden 2. Tag ins Krankenhaus zum Verbandswechsel.
Eine Tortour. Meine Schwester muss mich begleiten, wir müssen mit dem Taxi fahren.
Wie soll ich die 800 m zur Haltestelle kommen und über 1 Stunde Bus und Bahn fahren?
Im Krankenhaus muss ich oft mit dem Rollstuhl vom Eingang die wenigen Meter
zur Ambulanz gerollt werden - weil ich so Hyperventilieren, das meine Beine mir den Dienst versagen.
Ich muss immer an genau der Tür klingeln, wo ich das erste mal diese komischen Zustände hatte.
Und jedesmal sitze ich dort zitternd, schlottern, hyperventilierend vor Angst.
Der Arzt wundert sich. So etwas hat er noch nie gehabt.
Er ist Chirurg und Gynäkologe. Er weiß nicht, das der Mensche eine Seele hat.
Er wundert sich auch über die anderen Frauen auf der Station, denen es ähnlich geht wie mir.
Die eine Fehlgeburt hatten oder durch Krebs eine Brust abgenommen wurde.
Kein Arzt blickt je über seinen Tellerrand.

Was ich erst hinterher erfahre:
Ich habe bei der OP sehr viel Blut verloren. Mein HB-Wert liegt bei 6.
Bei einem Wert unter 5 macht sich der Sensenmann so langsam auf den Weg.
Es ist vollkommen normal, ständig zu schlafen, schlapp und müde zu sein.
Mit meinem rumgerenne und Treppensteigen habe ich meinen Körper total überfordert.
In meinen Adern floss nur Kochsalzlösung, kein Blut.
Mein Herz musste schlagen wie irre, um meine Körperfunktionen aufrecht zuerhalten.
Meine Lunge musste nach Luft japsen, weil kein Blut zum Sauerstofftransport da war.
Alles vollkommen normale Reaktionen - keine Panikattacken.
Aber keiner hats mir erklärt. Und ich wusste es nicht.
Und so bekam ich Angst vor einer normalen Reaktion, die sich dann irgendwann verselbständigt hat.
Irgendwann war es dann Angst vor der Angst.

17
Mrz
2006

Einstieg in die Angst

Nach der OP die ersten zwei Tage schlapp und müde.
Bin fast nur am pennen.
Das passt mir überhaupt nicht, ich will doch schnell fit werden
und in mein neues, tolles Leben starten.
Ich raffe alle Schläuche und Behälter, die so an mir rumhängen, zusammen
und gehe auf dem Flur auf und ab. Training.
Schon nach wenigen Schritten puste ich, mir wird schwarz vor Augen, ich kann nicht mehr.
Ins Bett. Ich schlafe vor Erschöpfung sofort ein.

Ca. 4 Tage nach der OP fahre ich mit dem Aufzug ins Erdgeschoss zur Ambulanz,
Termine für den Verbandswechsel holen.
Ich stehe vor der Ambulanz-Tür und klingel, keiner kommt.
Ich bin am keuchen, es war anstrengend, hier runter zu kommen.
Mir wird wieder schwarz vor Augen, mein Herz rast, ich schwitze, zittere.
Anstatt bei der Amublanz Sturm zu klingeln oder die Tür einzutreten, renne ich weg.
Vollkommen irrational. Ich will auf mein Zimmer, in mein Bett.
Im Aufzug muss ich mich hinlegen, kann nicht mehr stehen.
Ich weiß nicht, was mit mir geschieht, sämtliche Körperfunktionen entgleisen mir.
Endlich auf Station kommen die Schwestern angerannt, Blutdruck messen, ins Bett hieven, Arzt holen.
Irgendwann kriege ich mich wieder ein.
Alle wundern sich, was das wohl war.
Ich auch.
Schieben es auf die Nachwirkungen der OP.
Ich auch.

Am nächsten Tag übe ich Treppen steigen. Wieder fängt mein Herz an zu rasen, mir wird schwarz
vor Augen, zittern, schwitzen, übel, weiche Knie - das volle Programm.
Das wird mir zu blöde. Jetzt bleibe ich im Bett, kein rumrennen mehr.
Ich will diese Zustände nicht mehr.
Aber Pech gehabt.
Selbst wenn ich friedlich im Bett liege und Fernsehen schaue, fängt plötzlich mein Herz an zu rasen,
sämtliche Körperfunktionen flippen aus.
Heftiges Klingeln nach der Schwester, aber die ist vollkommen hilflos.
Der Arzt ist ratlos.
Nachwirkungen der OP heisst es noch immer.

Während des restlichen Aufenthalts in der Klinik, 10 Tage, verlasse ich kaum mein Zimmer.
Ich befürchte, wieder diese seltsamen "Zustände" zu bekommen, wenn ich mich anstrenge.
Und ich bekomme sie, auch ohne Anstrengung, im Bett, im Zimmer, einfach so.
Bei meiner Entlassung fährt mich meine Schwester mit einem Rollstuhl bis vor die Tür.
Gehen mag ich nicht, aus Angst vor den "Zuständen"
Inzwischen bin ich in ständiger Erwartung vor diesen "Zuständen".

Ich bin froh, wieder zu Hause zu sein.
Hier wird alles besser werden, bestimmt.
Keine "Zustände" mehr, bitte nicht.

16
Mrz
2006

27. Februar 1996

Auf diesen Termin hatte ich zwei Jahre gewartet.
Seit ich mitte 20 war, habe ich überlegt, mich operieren zu lassen.
Mit Ende 20 habe ich mich dann dafür entschieden.
Denn danach soll alles besser werden.
Die Krankenkasse bezahlt so einen Eingriff nur nach positiven Bescheid eines Gutachters.
Der Gutachter fegt meinen seelischen Leidensdruck mit einer Handbewegeung vom Tisch.
Der körperliche Leidensdruck, der ungleich kleiner ist, gibt aber den Ausschlag für eine Kostenübernahme.
Im Sommer 1994 melde ich mich im Krankenhaus an
und bekomme einen Termin für den 27. Februar 1996.
Danach soll alles besser werden.
Endlich kann ich anziehen, was ich will und muss mich nicht mehr verstecken.
Dadurch werde ich Selbstvertrauen gewinnen. Ich werde mich wohl fühlen.
Dadurch werde ich eine andere Ausstrahlung bekommen. Selbstbewusster.
Durch diese Ausstrahlung werden Menschen ganz anders als sonst auf mich reagieren.
Ich werde Leute kennenlernen und auch einen passenden Mann.
Nicht dieses lebensunfähige, depressive Ding, mit dem ich zu der Zeit zusammen bin
und der mich mit seinen Depressionen und seiner negativen Art ständig runterzieht.
Von dem ich mich aber nicht trenne, weil "anything is better than being alone".
Ja, alles wird anders werden, nach der OP.

Und alles wurde anders ...

15
Mrz
2006

Manchmal

Nicht oft, aber manchmal, denke ich an die Zeit vor der Krankheit.
Ich bin früh aufgestanden, 6 km zur Arbeit geradelt, hatte einen stressigen Job,
der aber auch Spaß gemacht hat und gut Geld gebracht hat.
Ich habe an langen und langweiligen Seminaren und Schulungen teilgenommen,
eingesperrt mit vielen Leuten, stundenlang, in muffigen Räumen.
Ich habe selber Schulungen abgehalten, war die einzige Frau unter 20 Männern.
Nach einem stressigen Arbeitstag gings noch mal eben wieder 6 km wieder mit dem Rad nach Hause,
einkaufen, kochen, Haushalt, Freizeit - ein normales Leben.

Aber trotzdem muss ja irgendwas nicht gestimmt haben, dass ich so krank geworden bin.
Eine Krankheit zeigt einem immer, das etwas nicht stimmt.
Aber was nicht stimmt, das ist schwer rauszukriegen.

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Frei nach Hippokrates: "Für was man Worte hat, darüber ist man schon fast hinweg" möchte ich mir hier mal alles von der Seele schreiben - also rumjammern.

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Wie koennen sie jemanden als hypochonder abstempeln,...
susi (Gast) - 29. Jun, 13:36
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Es ist erstaunlich wie viele Leute mit Ängsten kämpfen...
Keine Panik (Gast) - 10. Jan, 16:14
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FritzW - 12. Okt, 15:20
ego
schau mal in den KURS IN WUNDERN schöne heilung herzlichen...
rose (Gast) - 21. Jul, 16:48
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Petra (Gast) - 2. Nov, 11:06
Angst das Haus zu verlassen?...
Angst das Haus zu verlassen? Ich habe wahrhaftig Mitleid...
Petra (Gast) - 2. Nov, 11:03

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