Montag, 4. Dezember 2017

Elke erzählt

elke: pass auf paul, stell dir vor, ich habe dich betrogen, sagen wir mit dem ewig betrunkenen nachbarn, es ist schlimm, wir sitzen in dieser küche und auf dem tisch nur noch, eine gewürzgurke, verstehst du eine und wir beide lauern drauf, wollen sie unbedingt haben.


paul: sie gehört mir


elke: nein, das ist doch unsinn paul, warum gehört sie dir, so ein quatsch, schau, es ist meine küche, mein kühlschrank und es sind meine gurken.


paul: aber ich könnte sie mitgebracht haben.


elke: als geschenk?


paul: meinetwegen als geschenk.


elke: dann sind sie mir.


paul: oder du hast angerufen und gesagt, hey paul bring mal ein paar gurken mit.


elke: du meinst ausgeliehen?


paul: ja.


elke: dann sind sie mir.


paul: das kann doch nicht sein, sie können nicht dir sein, gut, du hast mich eingeladen, hörst du eingeladen und auf dem tisch liegt noch eine gurke.


elke: wie viel hast du schon gegessen?


paul: keine


elke: ich auch nicht.


paul: was machen wir, was machen wir bloß?

elke: wir spielen!


paul: du spielst elke, schon dein ganzes leben.


elke: du kennst mich erst seit zwei wochen


paul: drei jahre elke!


elke: hm, du kennst mich erst zwei wochen, hör zu paul, das ist ein spiel, ja, ich hab mit dem nachbarn geschlafen, er hat mich eingeladen, er hat mir seine fische gezeigt, die waren ganz unruhig und die wurden immer unruhiger desto länger ich sie ansah und auch mein nachbar wurde immer unruhiger, aber du hast keinen grund eifersüchtig zu sein.

paul: ich hab keinen grund. meine liebste vögelt mit unseren nachbarn und ich habe keinen grund eifersüchtig zu sein


elke: okay du hast gewonnen, nimm die gurke


paul: ich will sie nicht mehr.


elke: doch du willst sie. los, nimm sie, ich will sehen wie sie in deinem mund verschwindet, los nimm sie in deine hände, ganz langsam, noch kann ich sie sehen, diese saftige gurke und dann, nimm sie in den mund, los, da, du steckst sie in den mund wie eine zigarre, am liebsten möchte ich dir feuer geben, paul, ach wenn um uns rum nicht alles so verrückt wäre, ich würde dich lieben, ich wäre fähig dazu, aber so..nun schluck sie runter, nicht auf einmal, das risiko ist so groß, sie könnte, kaum auszudenken, sie könnte dir im hals stecken bleiben und dann beerdigung, ich gehe nicht gerne auf beerdigungen, obwohl man da die meisten leute trifft, man trifft ja niemand mehr so, nur noch auf beerdigungen, aber auf deine, nein ich will da jetzt nicht hin, ich möchte mich nicht daran erinnern, dass du an dieser gurke erstickt bist.

Dienstag, 7. März 2017

die vergesslichen

abends zogen sie durch
die orte
wie nicht gewesen
legten sie sich in die nacht
als hätte man sie geboren
zu einer stunde
in der die wirklichkeit sich vergräbt
die endete
weil die tage verschieden schmeckten
zogen sie abends durch die orte
kugelten sich vor lauter scherz
tränkten die nacht mit dem eigenen geruch
schimmerten
glänzten
tasteten das ganze verdammte leben ab und
fanden nur halb verlorene sätze
die ihnen aus den mund rutschten
fielen zu boden und verlangten nichts mehr
dunkle spucke die vergessen wurde
verlorene gesichter tauchten auf
tauchten ab und vergaßen was sie suchten
im fallen der sprünge jagten sie den schwachen
hinterher
so kam man also an
mit den vergesslichsten sätzen
machten sprünge
quälten ihre opfer zum schweigen
waren besessen von der idee
die zu sein
vor denen die anderen flüchten

Sonntag, 5. März 2017

minutentakt

der junge kommt besoffen nach haus
die mutter sitzt da
sie hat keine lust dort zu sitzen
sie hat sich das anders vorgestellt
damals
als sie den wiener poeten
kennenlernte
er verkaufte trockenen alkoholiker
heimlich schnaps
er war putzmunter
damals
als die vogel auf den ästen sprangen
sprangen sie hin und her
vor glück
unter ihnen wohnte ein mann
soll ich sagen wie er hieß
er hieß franz kafka
franz kafka öffnete das zimmerfenster
sah hinaus
dachte und das alles soll schwer und in jeder bewegung so sein

ich bin ja nur ein gedanke dachte der
junge als er vor seiner mutter stand
morgen gehe ich mit der lisa baden
sagte er
die augen so wohnlich
als könnte dort jeder bleiben
julian mit ihren schönen migrationshänden und
lisa
die er erfunden hat
damit seine mutter nicht wegrennt vor ihm

morgenspaziergang mit goethe

wir müssen sagte goethe
hier hielt ich ihn an
zeigte auf die schritte die wir hinter uns hatten
zeigte auf die vor uns
er legte seinen mund auf sein lächeln
er sagte
das sind augen, keine schritte
ich spreche mit zuckerwürfeln, sagte ich ihr
sie schaute mich an
der mund voller tränen die alle vertrocknen würden
was denkst du was ich den ganzen tag tue
hauchte sie
wir steckten im tiefsten abschied
wir zogen uns an und gingen zu unseren füßen
als wir vorm bahnhof standen fragte sie
bist du traurig
ich stand irgendwo
vielleicht dort wo sie polizei draufschreiben und
dunkle männer mit tiefen augen herauskommen und
sich zuflüstern
alles wie abgesprochen
vielleicht das jemand vergaß wer er war und durchs dorf irrte und
irgendeinen namen rief von dem er hoffte dass er davon erwachte
und tolstoi manchmal stelle ich mir vor
wie er seinen namen auf ein blatt schreibt und das blatt
sozusagen zu tolstoi wurde
so wie es die nacht tut wenn sie ohne absicht die schatten
von liebenden berührt die am morgen vor verschneiten
kühlschränken sitzen und warten
warten auf jene die ihnen zurufen
was ist
wollt ihr nicht mehr erwachen und ich immer noch mit goethe
durch die strassen gießens gehe und er mich fragt
warum gehen ihre füße so als würden sie lieber sprechen

Samstag, 4. März 2017

was wir versuchen

irgendwann werden unsere denkmäler verstehen
irgendwann werden sie zu uns kommen
werden uns mit sanfter nadel berühren
sie werden flüstern
keine bange
es ist nur der alte abstand
der alte abstand muss eingehalten werden

ein ungezählter vogel mit falschen papieren reist in ein falsches land und umgibt dieses
mit einem falschen schmerz der
wehtut
wenn wir verlangen
was er kann nicht kann
aufzuwachen
aufzustehen
die eigenen schritte zu rufen und endlich
zu begreifen
dass nicht die nadel schmerzt
sondern der abstand
der uns von der möglichkeit trennt
jemanden weh zu tun

Donnerstag, 2. März 2017

Elke erzählt

als wir im lokal zur goldnen zunge saßen
hatte er sein gesicht noch
er hatte es erst verloren als er von der toilette
zurückkam
zuerst sagte ich nichts
ich glaubte das gehört zum liebesspiel dazu
aber dann
als er näher kam und nur eine frage
im raum blieb
die eigentlich zusammenfallen und gehen sollte
war ich es die ging
saß ich in einen der billigen cafes
trank kaffee und sah auf die glänzende strasse
ein auto
frisch poliert
fuhr mit vielen kilometerschwindigkeiten und
suchte
suchte eine endlose geschwindigkeit
die verlor
wenn man ihr näherkam
ich fragte mich
wo war sein gesicht verschwunden
ob es in den letzten unruhen versank
durch die wir gehen
wenn wir uns vergessen
oder
ob es
noch immer auf der toilette dieses lokals stand
die trägen spuren einer nacht
die fassade die klemmte
das billige an notizen die übrigbleiben
wenn wir von etwas verlorenen gefunden werden
er sagte
er sei von haus aus gerne unterwegs
er roch nach leeren kreisläufen
nach vergeblichen warten
wie könnte ich ihn dabei stören
er musste weiter im kreis laufen
die nächte dieser stadt im ohr
als hätte die zukunft hände und er betrachtete sie
ganz ohne gesicht
diese wirklichkeit für die wir alle fremde sind
ob wir uns ansehen oder uns denkmäler bauen
ob wir uns verteilen oder uns vertreiben
die gleichgültigkeit mit der alles geschieht
können wir empfinden
den rest zählen wir einfach so ab

Dienstag, 28. Februar 2017

4 januar 1960

er steht in der bahnhofshalle
wie so oft
er raucht
er sieht was er sieht
er sieht es nur kurz
er lässt nichts davon fallen
lächelt
er hört was andere rufen
andere rufen
PARIS
andere rufen
DAS WARS
eine frau die nach weinbrand riecht verliert ihre handtasche
dreht sich um und
verliert ihre handtasche wieder
was ist denkt der mann und schaut sich um
jemand ruft seinen namen
er möchte es nicht hören
er hört es
er hört seinen namen
er dreht sich um
die frau hat ihre handtasche verloren
es riecht nach geborgten geld
nach vergesslichen tagen
er geht mit dem anderen mit
sie steigen ins auto
sie werden die sicht verlieren
das ist sicher

Samstag, 25. Februar 2017

berlinreisende

DSCN1364



sollte man erinnern
daran
an fenin
an jene drei tore
man sollte ihnen
das gedächtnis
zeigen
das gedächtnis
der feninblätter
der blüten
der drei tore
die kronkorken flogen
man dachte
okay
da sind jetzt drei fenintore und
wir sitzen da und sehen sie und
wir dagegen
wir werden uns sicher eines tages
erinnern
erinnern weil wir es nötig haben
wir haben tore nötig
wir haben auch
noch anderes nötig
aber das ist nicht wichtig
nicht aufm platz

Sonntag, 12. Februar 2017

Der alte

was macht der alte
früher immer mit hund
de hund war schwarz und
man sagte
der alte habe einen vogel
aber der hund hätte den vogel sicher gegessen
er hätte kurz gebellt und dann gegessen
bestimmt wäre der vogel in seinem inneren weitergeflogen
er hätte sich eingelebt dort so wie sich auch ein sargträger
einlebt in einem neuen zimmer
das zimmer verliert an höhe wenn er anfängt die toten
zum essen einzuladen
er lädt sie gerne ein und die toten begreifen
dass sie nichts gegen die einladung haben
dass sie gerne ihre zelte beim sargträger aufschlagen
sich ansehen und rufen
wie merkwürdig, wie merkwürdig das alles war und
sie erinnern sich wie sie früher gelebt haben
in eben solchen zimmern
die immer an höhe verloren wenn sie die flaschen zählten
sie zählten die flaschen oft und sie dachten nicht
einen moment an den alten mit dem hund der die verschluckten
vögel gerne zurückgeben würde an die käfige
aber sie wollen nicht
sie hassen die käfige
so wie die käfige die nacht hassen
in der nacht sind alle käfige frei und die käfige hassen das freie
weil es etwas gegen käfige hat

Mary fey

überall war sie wo
sie nicht war
war eine andere
die sie auch war
sie war überall und
überall wo sie sich
heimlich mit den jungs traf
war sie auch und überall
wo einsamkeit war und
jemand auf den boden spuckte und
jeder der sagte
dort geht sie
sah sie und wenn er sie nicht sah
sah er sie nie mehr und wenn
er sie nie mehr sah
sah er sie
er sah sie überall
sie war alle frauen
überall wo eine frau war
war sie und überall konnte
überall sein
sie war alle und wenn sie nichts war
war sie alles und wenn sie alles sah
sah sie alles und sah wie die orte
wenn sie verschwanden immer
noch in ihren augen waren
sie waren und sie verschwanden und
verschwanden doch nie ganz
denn so lange es frauen gab
gab es sie und sie verschwanden nicht
sie verschwanden nicht die spuren
die spuren verstanden dass sie nicht verschwanden
sie suchten sie nicht
sie wussten nicht wer sie war
sie war überall
sie wurde geboren oder
sie kommt irgendwann auf die welt und alles
was sie uns sagt
sagt uns eine andere und diese andere ist sie
sie weiß es
sie weiß dass sie die verstecke kennt
die wirklichen verstecke die vergessen wer
sie versteckt

komm

wir warten nicht mehr
wir sind stehende klaviere
mit den blicken von aufsichtsräten
die sich einmischen
wegwischen
die bersten voller augen und
wenn sie den mond loswerden wollen
vom angeln reden oder besser noch schweigen
sich ansehen so wie sich häuser ansehen
die aus mangel an mietverträgen
tuscheln
wie gesten die man verschenkt
an verschiedene personen
die ohne akteneinsicht noch
immer auf ihre geburt warten
warten wir
auf den see der über uns kommt
hinabeilt
alle geschichten bündelt
sorgsam oder verloren wie jene
glückliche die sehen was die anderen
nicht sehen
die verstehen was andere nicht vergessen können
dass alles sind wir
alle geschichten in worte oder einer umarmung
nichts anderes
als die ganze geschichte in jedem von uns
wird eine nacht geboren
eine nacht die von irgendwo herkommt
deren schritte man nicht zählen und
deshalb niemand etwas schuldig ist
einzig und alleine nur den augen
die uns sehen
uns ansehen und die sagen können
das ist es oder
das ist es nicht

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